Die Mehrheit der Jugendlichen tritt nach der Sekundarstufe I in eine berufliche Grundbildung ein. Zur Auswahl stehen rund 250 Lehrberufe. Viele berufliche Qualifikationen werden in der Schweiz auf der Sekundarstufe II erworben, während in anderen Ländern der Erwerb der gleichen Qualifikationen auf der Tertiärstufe erfolgt. Damit unterscheidet sich das Schweizer System von den meisten schulisch orientierten ausländischen Berufsbildungssystemen. Die berufliche Grundbildung erfolgt mehrheitlich nach dualem System: eine berufspraktische Ausbildung an drei bis vier Tagen in einem Lehrbetrieb wird ergänzt durch den theoretischen Unterricht (berufsbildende und allgemeinbildende Fächer) an einem bis zwei Tagen in der Berufsfachschule. Zusätzlich besuchen die Lernenden überbetriebliche Kurse, in denen sie spezifische berufspraktische Fertigkeiten vertiefen.
Die berufliche Grundbildung kann auch in einem schulischen Vollzeitangebot absolviert werden. In der französisch- und der italienischsprachigen Schweiz ist der Anteil an schulischen Vollzeitangeboten höher als in der deutschsprachigen Schweiz.
Schülerinnen und Schüler, welche die Sekundarstufe I abgeschlossen und das 15. Altersjahr erreicht haben, können sich in einem Lehrbetrieb um eine Lehrstelle bewerben oder – ggf. nach Absolvierung einer Aufnahmeprüfung – in ein schulisches Vollzeitangebot eintreten. Der Lehrbetrieb entscheidet über das Auswahlverfahren. In der Regel sind die erbrachten Leistungen auf der Sekundarstufe I, die Bewerbungsunterlagen sowie ein Vorstellungsgespräch über die Vergabe eines Ausbildungsplatzes entscheidend. Verschiedene Lehrbetriebe verlangen von den Bewerbenden zusätzlich die Absolvierung eines Eignungstests.
Die berufliche Grundbildung bietet folgende Ausbildungsgänge an:
Zweijährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Berufsattest (EBA): Sie bietet leistungsschwächeren Jugendlichen einen eidgenössisch anerkannten Berufsabschluss und garantiert eine Anschlussfähigkeit im Bildungswesen. Sie bereitet auf die Ausübung eines Berufs mit einfacheren Anforderungen vor.
Drei- oder vierjährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ): Sie bereitet auf die Ausübung eines bestimmten Berufs vor.
Die berufliche Grundbildung umfasst die Bildung in beruflicher Praxis sowie Allgemeinbildung und berufskundliche schulische Bildung. Die spezifischen Leistungsziele, Bildungsinhalte und deren Aufteilung auf die drei Lernorte (Berufsfachschule, Lehrbetrieb, überbetriebliche Kurse) werden in den Verordnungen über die berufliche Grundbildung für die entsprechenden Berufe sowie in den jeweiligen Bildungsplänen festgelegt. Bildungspläne sind inhaltliche und berufspädagogische Konzepte der beruflichen Grundbildung. Der allgemeinbildende Unterricht in den Berufsfachschulen wird durch die Verordnung des SBFI über Mindestvorschriften für die Allgemeinbildung in der beruflichen Grundbildung und dem entsprechenden Rahmenlehrplan für den allgemeinbildenden Unterricht in der beruflichen Grundbildung geregelt.
Die jeweiligen Verordnungen über die berufliche Grundbildung regeln die Beurteilungsverfahren im Lehrbetrieb und im schulischen Unterricht.
Lehrbetrieb
Der Berufsbildner/die Berufsbildnerin im Lehrbetrieb bespricht den Lernerfolg mit den Lernenden und hält deren Bildungsstand in einem Bildungsbericht fest. Pro Semester wird ein Bildungsbericht ausgestellt. Dieser enthält Zielvereinbarungen zwischen Lernenden und Berufsbildnern und -bildnerinnen, die regelmässig überprüft werden. Beurteilt werden Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen sowie die erreichten Leistungen in Berufsfachschule und überbetrieblichen Kursen. Die Lernenden halten in der Lerndokumentation systematisch alle wesentlichen Arbeiten, die erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Erfahrungen fest. Die Lerndokumentation der Lernenden gibt den Berufsbildnern und Berufsbildnerinnen Aufschluss über Bildungsverlauf, Berufsinteresse und das persönliche Engagement der Lernenden.
Berufsfachschule
In der Berufsfachschule werden die erbrachten Leistungen der Lernenden in den einzelnen Fächern semesterweise in einem Zeugnis beurteilt (6 = beste Note; 4 = genügend; unter 4 = ungenügend). Bei schulischen Leistungen, die den Erfolg der betrieblich organisierten Grundbildung in Frage stellen oder bei ungenügendem Verhalten der Lernenden, nimmt die Berufsfachschule mit dem Lehrbetrieb Kontakt auf, um entsprechende Massnahmen zu treffen. Gegebenenfalls muss bei ungenügenden Leistungen das gesamte Ausbildungsjahr wiederholt oder die Ausbildung abgebrochen werden.
Die zweijährige berufliche Grundbildung schliesst mit einem eidgenössischen Berufsattest (EBA) ab. Je nach Berufsfeld kann nach dem Berufsattest eine verkürzte drei- oder vierjährige berufliche Grundbildung absolviert werden.
Die drei- oder vierjährige berufliche Grundbildung schliesst mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) ab.
Erwachsene können den Abschluss einer beruflichen Grundbildung erlangen – auch ohne eine berufliche Grundbildung durchlaufen zu müssen. Das Bundesgesetz über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz, BBG) lässt für den Nachweis der Kompetenzen mehrere Möglichkeiten offen. Es gibt vier Wege, um ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis EFZ oder ein eidgenössisches Berufsattest EBA zur erlangen.
Zwei davon führen über die formale Bildung mit Lehrvertrag, entweder über eine verkürzte oder eine reguläre berufliche Grundbildung. Die anderen beiden über nicht formale Bildung ohne Lehrvertrag entweder über eine Validierung von Bildungsleistungen oder über die direkte Zulassung zur Abschlussprüfung.
Die eidgenössische Berufsmaturität ergänzt die berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) mit einer erweiterten Allgemeinbildung und bereitet auf die Aufnahme eines Fachhochschulstudiums vor. Ziele, Umfang und Vertiefungsmöglichkeiten werden in der Verordnung über die eidgenössische Berufsmaturität (Berufsmaturitätsverordnung) und dem Rahmenlehrplan für die Berufsmaturität geregelt.
Die Berufsmaturität kann auf verschiedenen Wegen erlangt werden:
Während der beruflichen Grundbildung (BM1): im Betrieb oder in einer Vollzeit-Berufsfachschule durch den Besuch der entsprechenden Lehrgänge. Für die Zulassung gelten in der Regel zusätzliche Bedingungen, wie Zeugnisnoten, Zulassungsprüfungen, etc. Ausserdem braucht es die Einwilligung des Arbeitgebers. Der zusätzliche Unterricht für die BM1 bedingt im Normalfall einen weiteren halben Tag Unterricht. Dieser beginnt im Allgemeinen im ersten Lehrjahr.
Nach Abschluss der beruflichen Grundbildung (BM2), durch den Besuch von Lehrgängen für qualifizierte Berufsleute. Die Vollzeit-Ausbildung dauert zwei Semester, Teilzeit-Varianten brauchen drei bis fünf Semester. Einige Institute bieten Vorkurse für die Zulassung zu den Maturitätslehrgängen an.
Durch direktes Ablegen der eidgenössischen Berufsmaturitätsprüfungen, nach individueller Vorbereitung. Diese Prüfungen finden einmal pro Jahr (Juli/August) statt. Für die Zulassung ist ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis erforderlich.
Inhaberinnen und Inhaber einer Berufsmaturität sind zum prüfungsfreien Zugang an eine dem Beruf verwandte Studienrichtung an einer Fachhochschule FH berechtigt. Neben der formalen Zulassungsvoraussetzung können zusätzliche Zulassungsbedingungen wie Praktika, Eignungstests etc. gelten. Entspricht die Grundbildung nicht dem gewünschten Studienbereich, ist es möglich, ein einjähriges qualifizierendes Praktikum zu absolvieren, um zugelassen zu werden.
Wer zusätzlich zum eidgenössischen Berufsmaturitätszeugnis die Passerellen-Ergänzungsprüfung bestanden hat, kann sich an einer schweizerischen universitären Hochschule UH oder Pädagogischen Hochschule PH immatrikulieren. Die Passerellenprüfung kann entweder im Selbstudium oder mit einem Passerellenkurs vorbereitet werden.
Die Leistungsbewertung und die Versetzung in der Berufsmaturität werden in der Berufsmaturitätsverordnung geregelt. Bei ungenügenden Leistungen erfolgt die Versetzung ins nächste Semester provisorisch. Dies ist nur ein Mal während der gesamten Ausbildung möglich. Gegen Ende der Ausbildung verfassen oder gestalten die Lernenden eine interdisziplinäre Projektarbeit. Sie ist Bestandteil der Berufsmaturitätsprüfung und stellt Bezüge her zur Arbeitswelt und zu mindestens zwei Fächern des Berufsmaturitätsunterrichts.
Die Berufsmaturitätsbildung wird mit einem eidgenössischen Berufsmaturitätszeugnis abgeschlossen. Zusätzlich sind die Absolvierenden im Besitz eines eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses.